Vorbemerkung

Über das Entrauschen von Digitalbildern habe ich schon ab und an mal etwas geschrieben - zum Beispiel in diesem UM-Artikel. Es gibt hier ja verschiedene Ansätze und Verfahren, die helfen, verrauschte Bilder "ansehbar" zu machen. In letzter Zeit allerdings traten hier neue Verfahren auf die Bühne - wie so oft in letzter Zeit spielt da eine künstliche Intelligenz die entscheidende Rolle. Noch gibt es kein kostenloses Produkt, das diese Techniken nutzt - ich will hier aber trotzdem einen Einblick geben. Im Prinzip nennen sich diese Verfahren Rauschminderung, und zielen darauf ab, Aufnahmen, die mit höheren ISO-Werten erstellt wurden, quasi zu "glätten". Software-Produkte, welche diese Technik bieten, gibt es zur Zeit drei: DxO hat vor fast schon 10 Jahren Prime vorgestellt und das Ganze zu Deep Prime (2020) und Deep Prime XD (2022) weiter entwickelt. Topaz tritt mit der Version Denoise AI hier auf, und Adobe hat gerade erst für Camera RAW (einem Vorschaltmodul für Photoshop CC) und Lightroom (Classic)  eine KI-gestützte Rauschminderung heraus gebracht, die eigentlich schon für 2022 angekündigt war.

Das Ganze hat nichts damit zu tun, wie zum Beispiel in Smartphones Fotos "aufgehübscht" werden. Hier geht es dann zum Beispiel um ein künstliches "Bokeh" bei Portraits oder Nahaufnahmen, das durch eine gezielte Unschärfe in "hinteren" Bereichen (hierzu haben diese Smartphones einen eigenen Tiefensensor) erzeugt wird. Noch weitergehende Eingriffe zeigten sich in letzter Zeit bei gewissen "Luxus"-Smartphones, die schon bei der Aufnahme eines hellen, annähernd kreisförmigen Flecks eine scharfe Vollmondaufnahme produzieren.

Farb- und Luminanz-Rauschen

Bei mir ist das Fotografieren mit einer Einstellung von ISO 32Original JPG00 das Maximum, das - meiner Meinung nach - meine Kamera (eine EOS 90D) hergibt. Mit dieser Einstellung sind die Aufnahmen - was das Rauschen betrifft - für mich gerade noch akzeptabel. Das Bild hier rechts zeigt einen 100%-Ausschnitt aus einer Aufnahme mit diesem ISO-Wert. Es ist ein Ausschnitt aus der JPG-Datei, welche die Kamera produziert. Solche Aufnahmen sind heutzutage schon "vorbehandelt", wie wir sehen werden.
Rauschen ist schon zu erkennen - aber zumindest gibt es keine farblichen Störungen in der Aufnahme. Einen kleinen "Abzug" kann man von einem solchen Bild schon noch machen - bei DIN-A4 oder noch größer sieht das nicht mehr gut aus.

Grundsätzlich ist meine Kamera aber immer so eingestellt, dass parallel zu den JPG-Aufnahmen auch solche vom Typ RAW angefertigt werden. RAW-Aufnahmen haben recht große Reserven, was die Nachbearbeitung betrifft, wie ich auch vor einiger Zeit in diesem Artikel dargestellt habe.

In diesem Artikel gehe ich auf die Software Photoshop CC ein, die anderen beiden Softwareprodukte kenne ich nur aus Vergleichen im Internet. Alle Programme lassen sich aber als Testversionen installieren - manche für 7, andere für 30 Tage, so dass Sie das alles gegebenenfalls selbst ausprobieren können. 

RW-Aufnahme, "Null-Einstellungen"Öffnet man eine Datei in Camera RAW (das gilt natürlich auch für andere Softwareprodukte), werden schon bestimmte Voreinstellungen getroffen, die das Bild möglichst so aussehen lassen wie die JPG-Variante, welche die Kamera selbst erstellt.

Im Bild links habe ich die Einstellungen, die das Rauschen betreffen, beide auf Null gestellt. Gegenüber dem Bild oben sieht man jetzt Farbstörungen - und hier sind wir auch gleich bei den beiden hauptsächlichen Rauschursachen: dem Farbrauschen sowie dem Luminanzrauschen. Camera RAW hat die Rauschminderung für das Farbrauschen in der Standardeinstellung auf einem Wert vonPhotoshop-Rauschminderung 25 stehen - das erzeugt ein Aussehen etwa wie auf dem originalen JPG-Bild. Das Luminanzrauschen wird auch als Helligkeitsrauschen bezeichnet - und warum das so ist, sieht man im oberen Bild ganz gut! Benachbarte Punkte von der - im Prinzip - gleichen Farbe haben in der Darstellung eine leicht unterschiedliche Helligkeit.
Luminanzrauschen ist also anscheinend nicht so störend wie Farbrauschen - aber es bewirkt halt auch eine Verschlechterung des Gesamteindrucks. Der Regler für die Reduzierung des Luminanzrauschens in Camera RAW steht  - wie Sie im Bild rechts erkennen können - standardmäßig auf 0.

Luminanzrauschen vermindernSetzt man ihn auf einen höheren Wert, ändert sich das Bild gleich drastisch. Links sehen Sie den gleichen Bildausschnitt mit einem Luminanzrauschen-Wert von 70.

Das sieht in der Farbgebung schon deutlich homogener aus - aber, wenn Sie genau hinschauen, sehen Sie nun auch eine leichte Unschärfe an den Kanten bzw. Farbübergängen. Das ist der Preis für die Rauschminderung. Diese findet zwar nicht statt, weil das Bild vom Prinzip her unscharf gemacht wird (was ja auch eine Methode wäre!), aber eine gewisse Unschärfe entsteht halt doch bei diesem Vorgang.

Geschärftes BildNun, in der Bildbearbeitungssoftware gibt es ja unterdessen auch die Möglichkeit des "Schärfens". Hier gibt es - je nach Software - durchaus unterschiedliche Algorithmen. Im Bild rechts wurde einfach der "Schärfen"-Regler in Camera RAW auf einen Wert von 100 eingestellt.
Wie man sieht, sind die Kanten nun tatsächlich ein Stück schärfer geworden - aber der Preis ist ein neues Rauschen in den Farbflächen. Das ist leider ein bekanntes Problem: Entrauschen und Schärfen heben sich im Allgemeinen einfach gegenseitig fast auf.
Das Ergebnis ist hier tatsächlich schon etwas besser geworden als das originale JPG-Bild - aber eben doch nicht ganz zufriedenstellend.

Entrauschen per KI

Nun gibt es aber auch die neue Möglichkeit des KI-gestützten Entrauschens. KI spielt ja in Bildbearbeitungsprogrammen schon eine gewisse Zeit einEntrauschen-Dialog (KI)e zunehmend höhere Rolle (siehe auch diesen UM-Artikel), aber Entrauschen per KI ist doch eine recht neue Technik. In Adobes Camera RAW gibt es dazu den unspektakulären Knopf "Entrauschen", den man im oben abgebildeten Dialog zur Rauschreduzierung findet.
Links sehen Sie den Dialog, der sich daraufhin öffnet und als Beispiel einen - frei verschiebbaren - Ausschnitt des Bildes darstellt. Je nach gedrückter Maustaste wird das unverbesserte Original oder eben das verbesserte Ergebnis angezeigt.
Die einzige Kontrollmöglichkeit ist der kleine Regler ("Entrauschen"), der defaultmäßig auf einem Wert von 50 steht.
KI-entrauschenAdobes KI heißt "Sensei" und wurde mit Millionen von Bildern trainiert. Ein Ergebnis des KI-gestützten Entrauschens sehen Sie nun in dem Bild rechts. Hier wurde der Entrauschen-Wert bei der Standardeinstellung belassen.
Das Berechnen dauert seine Zeit, auf meinem - schon fast 10 Jahre alten - Rechner mehr als eine Minute. Die Bilder meiner Kamera haben eine Auflösung von ca. 32 MPixel. Außerdem wird möglichst eine Grafikkarte benötigt - je höherwertiger, desto besser. Eine Nvidia-Grafikkarte der 3000er-Serie zum Beispiel verkürzt die Berechnungszeit auf 10 bis 20 Sekunden. Meine Nvidia-Grafikkarte erhitzt sich während des Prozesses auf ca. 80° C. Adobe schreibt, dass das in Camera RAW in Version 15.3 und Lightroom Classic (Version 12.3) verfügbare Entrauschen derzeit nur RAW-Dateien aus Kameras mit Bayer- (Canon, Nikon, etc.) und X-Trans-(Fuji)-Sensoren verfügbar ist. Sigma zum Beispiel ist also mit seinen Foveon-Sensoren (noch?) außen vor.

NKI-Entrauschen "80"un lässt sich ja der Entrauschen-Regler auch noch auf höhere Werte einstellen. Links sehen Sie das Ergebnis bei einer Einstellung von 80. Meiner Meinung nach zeigt das Bild minimal "glattere" Flächen.
Photoshop erzeugt als Ergebnis eines solchen Entrauschen-Vorgangs eine DNG-Datei. Sie wird in der (unter den Bildern erscheinenden) Vorschauleiste rechts neben dem Originalbild angeordnet. DNG macht auch Sinn, denn dieses Entrauschen lässt sich ja nur auf RAW-Dateien anwenden, und der Vorgang soll ja die sonstigen Eigenschaften dieser Dateien nicht weiter beeinflussen.

Mit der Schaltfläche "Öffnen" übergibt Photoshop die Aufnahme dann in den "normalen" Bildeditor. Während dieses Vorgangs wird die Datei dann auch in ein JPUnscharf maskieren auf KI-entrauschenG-Bild umgewandelt. (Hierbei geht dann zum Beispiel die in den RAW-Dateien vorhandene hohe Farbtiefe verloren.) 
In diesem Editor gibt es vielfältige Filtermöglichkeiten - unter anderem mehre Arten des "Schärfens". Die "höchsten Weihen" hat hier meist der Filter "Unscharf maskieren", bei dem man den Schärfen-Algorithmus in mehreren Parametern beeinflussen kann.

Rechts sehen Sie das entsprechende Kontroll-Feld sowie einen Ausschnitt des Ergebnisses. Eine gewisse Steigerung ist tatsächlich noch zu beobachten.

Extremwerte

Ich hatte ja oben geschrieben, dass meine Kamera mit ISO 3200 (entspräche übrigens den früher gebräuchlichen "36 DIN") meiner Meinung nach gerade noch taugliche (JPG-)Bilder produziert. Die Kamera lässt sich aber bis zu ISO 51200 konfigurieren. Die Ergebnisse solch hoher ISO-Einstellungen haben aber eher noch dokumentarische Zwecke - unter dem Aspekt "besser so als gar kein Bild".

Ich habe nun zwei Testaufnahmen gemacht - etwa in der gleichen Umgebung wie bei den obigen Bildern. Das erste Bild mit ISO12800, das zweite mit 51200 belichtet.

In der folgenden Tabelle sind in der oberen Zeile links das 12800er Bild, rechts die entrauschte Version (Wert: 80) zu sehen; in der Zeile darunter das ISO 51200-Pärchen.

ISO12800ISO 12800 entrauscht
ISO51200ISO 51200 entrauscht

 

Na ja, man könnte sagen, das ist ja noch akzeptabel - tatsächlich finde ich die Ergebnisse auch echt erstaunlich. Wenn man aber in die rechte graue Fläche schaut, sieht man, dass hier Artefakte entstanden sind, die im Original nicht zu sehen waren. In der unteren Zeile ist der Effekt noch deutlicher. Mag sein, dass das hier nicht so stört - in einem Bild mit vielen Details können aber so "Dinge" entstehen, die eigentlich gar nicht da waren.

Abschließen will ich hier mit Ausschnitten aus zwei Vergleichsbildern von unserer diesjährigen Mitgliederversammlung. Sie können sie zum Vergrößern anklicken. Links eine verkleinerte Version des Originals, mit ISO 3200 aufgenommen, rechts das mit dem Wert 80 entrauschte Bild.

M2023 Original ISO 3200MV2023 entrauscht

 

Fazit

Meiner Meinung nach ist das eine echte Neuerung, die eindeutig zu besseren Bildern führen kann. Die Hadwareanforderungen an die Technologie sind zur Zeit recht hoch, was sich in längeren Bearbeitungszeiten zeigt - aber das ist die erste Version von Adobe, vielleicht tut sich ja hier noch etwas.

Wie oben gesagt, gibt es alternative Softwareprodukte, die ähnliches leisten. Adobe wird aber vom Ergebnis her ziemlich gelobt. Einen Vergleich zwischen verschiedenen Produkten können Sie sich zum Beispiel bei DeepPRIME - DxO anschauen.

darktable - entrauschenAußer dem Beeinflussen des oben zitierten Farb- bzw. Luminanzrauschens gibt es durchaus noch andere Ansätze der Rauschminderung. In darktable, das ich in einer früheren Version hier einmal beschrieben habe, gibt es nun verschiedene "Profile" für die unterschiedlichen Bearbeitungsschritte.
Das Entrauschen-Profil - es gibt hier auch weitere Alternativen, wie das RAW-Entrauschen, - erlaubt es unter anderem, mit "Wavelets" zu arbeiten. Das ist eine Technologie, die auf Frequenztrennung basiert, also ein Bild hierdurch in verschiedenen Varianten aufspaltet, die dann gezielt zu bestimmten Zwecken unterschiedlich bearbeitet werden können.
Durch die Kombination der unterschiedlichen Verfahren können hier recht gute Ergebnisse erzielt werden. Der Aufwand ist allerdings um Klassen höher als bei der oben vorgestellten KI-gestützten Methode.

Dafür ist darktable aber kostenlos - und Photoshop bzw. Lightroom sind momentan nur in einem Abonnement zu bekommen.