Wir verwenden im täglichen Leben mehr Open Source Software (OSS) als wir glauben. In diesem zweiteiligen Artikel wird das Thema daher ausführlich beleuchtet. Teil 1 beantwortete zuerst einmal die Frage, was OSS eigentlich genau ist und erklärte dann die Vor- und Nachteile dieser Art von Programmen. Nun werden weitere Aspekte behandelt, gefolgt von einer umfangreichen Linksammlung.

OSS in Unternehmen

"Open Source ist in den Unternehmen angekommen". So lautet das Fazit einer Online-Umfrage die heise open und die Wilken GmbH im November 2008 durchgeführt haben. Die Ergebnisse sind ausgesprochen interessant. Auch wenn die Daten nicht repräsentativ sind - so waren mittlere und große Unternehmen deutlich überrepräsentiert, kleine Unternehmen (unter 10 Mitarbeiter) dagegen stark unterrepräsentiert.

Überraschend: In 40 Prozent der Unternehmen ist Open Source von unternehmenskritischer Bedeutung, bei weiteren 43 Prozent spielt Open Source zumindest eine wichtige Rolle in der Unternehmens-IT. Die häufig immer noch anzutreffende Vorstellung, dass OSS vor allem in weniger wichtigen Bereichen zum Einsatz kommt, stimmt also nicht mehr.

Dabei ist die Rolle von Open Source umso wichtiger, je kleiner das Unternehmen ist: bei Unternehmen mit bis zu zehn Mitarbeitern ist OSS bei 94 Prozent unternehmenskritisch oder zumindest wichtig. Dieser Wert sinkt bei großen Unternehmen (über 500 Mitarbeitern) auf 70 Prozent.

Interessant ist auch der hohe Zufriedenheitsgrad der Befragten mit OSS. 49 Prozent der Befragten sind sehr zufrieden, 48 Prozent zufrieden. Nur 2 Prozent dagegen sind weniger zufrieden oder gar unzufrieden. Bei kostenpflichtiger Software sind diese Werte deutlich schlechter: Sehr zufrieden sind hier nur 15 Prozent, weitere 29 Prozent sind zufrieden. Den Grund hierfür sieht die Studie in dem immer wieder propagierten Vorteil von Open Source: Sie lässt sich ohne große Umstände ausprobieren und – bei Nichtgefallen – vergleichsweise einfach durch ein anderes Produkt ersetzen. Wohingegen lizenzpflichtige Produkte häufig mit länger laufenden Verträgen die Anwender binden und einen Umstieg erschweren.

Die Frage nach den Gründen für den Einsatz von OSS liefert weniger Überraschendes: "Keine Lizenzkosten" steht klar im Vordergrund. Weitere wichtige Gründe sind offene Standards, Herstellerunabhängigkeit, die Leistungsfähigkeit einer OSS, Flexibilität für eigene Anpassungen und Zuverlässigkeit. Interessant ist auch, wie weit oben das Thema Sicherheit steht. Für mehr als 60 Prozent der Befragten ist dies ein Beweggrund für den Einsatz von OSS. Nicht gerade ein Indiz dafür, dass OSS weniger sicher ist, wie von ihren Gegnern gerne behauptet wird. Bei erfahrenen Open-Source-Nutzern gewinnen die Aspekte offene Quellen und die technische Qualität sogar noch an Gewicht, ebenso wie der Kostenaspekt. Mit Ausnahme des Kostenaspekts steigen die eben genannten Gründe sogar noch mit der Wichtigkeit der Anwendung für das Unternehmen.

Als wichtigstes Hindernis für den Einsatz von OSS wurde der Mangel an qualifiziertem Personal und die Integration mit der vorhandenen Software genannt. Wohingegen fehlender professioneller Support oder mangelhafter Kontakt zum Hersteller für die Mehrheit kein ernsthaftes Problem darstellte, nur eine kleine Minderheit sieht dies als Problem an. Hier hat sich offenbar in den letzten Jahren einiges getan, denn in früheren Umfragen wurde die Verfügbarkeit von Support sehr viel häufiger bemängelt. Von den Teilnehmern an der Studie nahm nur gut ein Drittel externen Support für ihre OSS-Anwendungen in Anspruch (je größer das Unternehmen, umso häufiger). Der hohe Zufriedenheitsgrad von 90 Prozent "zufrieden" und "sehr zufrieden" zeigt, dass auch für Open Source Software Support in ordentlicher Qualität zu bekommen ist.

Nicht überraschend sind die dominierenden Einsatzbereiche von OSS: Server-Betriebssystem, Webserver, Internet und Datenbanken wurden von 80 Prozent der Befragten genannt. Zwei Drittel verwendet Office-Programme und immerhin 57 Prozent setzen auch auf freie Desktop-Betriebssyteme. Die letzte Zahl muss man allerdings mit Vorsicht genießen. Da die Befragten im Durchschnitt aus dem IT-Umfeld kamen, kann man zwar daraus schließen dass in diesem Bereich z.B. Linux eine große Rolle auch auf dem Desktop spielt, für die übrigen Büroarbeitsplätze dürfte das dagegen keineswegs gelten.

Den Weg, wie OSS auf den Desktop der Anwender kommt, zeichnet die Studie wie folgt: Erst kommen Anwendungen wie Firefox, Thunderbird oder Open Office, die zum Teil leicht ihre kostenpflichtigen Gegenstücke (z.B. MS Office) ersetzen. Haben sich die Anwender an diese, in der Regel für verschiedene Plattformen verfügbaren, Programme gewöhnt, folgt der Ersatz des Desktop-Betriebssystems. So wird der Anwender nicht von einer Komplettumstellung in einem Schritt überfordert.

Was gibt es an OSS?

Es gibt mittlerweile kaum noch ein Einsatzgebiet auf dem es nicht OSS-Alternativen zur Bezahlsoftware gäbe. Dies fängt schon beim Betriebssystem an. Die Zeiten, als Linux nur für Hardcore-Hacker einsetzbar war, sind lange vorbei. Die Installation ist - wenn man die richtige Distribution nimmt - genauso einfach wie bei Windows. OSS-Programmpakete werden direkt aus dem Internet nachinstalliert. Und dort findet sich ein unerschöpfliches Reservoir: Spiele, Multimedia- und Grafikprogramme, Bild- und Videobearbeitung, Office-Anwendungen bis hin zu CMS-(Content Management System), CRM-(Customer Relationship Management) oder ERP-(Enterprise Ressource Planning)Anwendungen gibt es fast nichts was es nicht gibt. Lehr- und Lernsoftware ist ebenso vertreten wie Entwickler-Tools für die Softwareentwicklung. Die Auswahl ist schier überwältigend und oft gibt es nur einen Grund, warum ein bestimmtes, kommerzielles Programm noch im Einsatz ist: Der User ist einfach daran gewöhnt und mag sich nicht umstellen - selbst wenn eine OSS-Alternative die bessere und nebenbei sogar preiswertere Wahl wäre.

Allerdings gibt es auch Bereiche, die von OSS nicht oder nur schwach besetzt sind: Buchhaltungssoftware oder Programme zur Anfertigung der Steuererklärung oder für das Home Banking sind rar gesät oder gar nicht vorhanden.

Eigene Erfahrungen mit OSS

Jürgen: Privat wie beruflich setze ich zunehmend auf OSS. Angefangen hat es wohl mit Firefox und einer Linux-Testinstallation. Mittlerweile hat OSS aber schon diverse kommerzielle Programme von meinem Rechner verdrängt oder steht kurz davor. Beispiel Open Office: Der erste Test vor einigen Jahren verlief noch nicht wunschgemäß. Zu viele Schwächen hatte das freie Programm gegenüber dem eingesetzten Office 2000 von Microsoft. Das hat sich letztes Jahr geändert. Eine Zeit lang liefen beide gleichberechtigt nebeneinander. Jetzt – nach dem Upgrade auf MS Office 2007 mit seinem völlig neuen User Interface – neigt sich die Waage jedoch deutlich zugunsten von Open Office. MS Office kommt oft nur noch deshalb zum Einsatz, weil z.B. Excel-Tabellen mit Makros nicht so einfach portierbar sind oder vorhandene Formulare mit Feldern oder Serienbriefe Umstellungsarbeit erfordern würden. Nach derzeitigem Stand werde ich wohl kein Update mehr für MS Office erwerben. Die Ablösung durch Open Office ist bereits im vollen Gange. Weitere Anwendungen, bei denen OSS zum Einsatz kommt, sind das Mailprogramm (Thunderbird statt Outlook), diverse Entwicklertools für Webseiten, VLC um Videos anzuschauen und viele mehr. Für Kundenwebseiten kommen nur noch Content-Management-Systeme zum Einsatz, die als OSS laufen (Drupal oder Joomla). Auf Webservern läuft Linux mit Apache, MySQL und PHP. Ach ja, den Fernseher hat es vor einer Weile auch erwischt: Der wurde durch einen betagten PC ersetzt auf dem Linux läuft, nebst diversen Multimediaprogrammen zum Fernsehen, Videos anschauen oder Musik  hören. Auf diesem ist kein Stück kommerzielle Software mehr im Einsatz!

Es gibt aber auch Bereiche, wo ich noch keinen adäquaten Ersatz für Kaufprogramme gefunden habe. So erledige ich die Steuererklärung noch immer mit dem WiSO-Steuersparbuch, Quicken kümmert sich um meine Finanzen und PCKaufmann erledigt die Buchhaltung. Visio 2003 von Microsoft nehme ich gerne für Zeichnungen und Skizzen - hier habe ich aber noch nicht ernsthaft nach Ersatz gesucht. Und meinen PDA synchronisiere ich derzeit noch mit Palm Desktop, hoffend, dass es bald eine OSS-Alternative gibt (für Windows & Linux bitte ;-)).

Meine Erfahrungen waren dabei überwiegend positiv. Und selbst wenn ein OSS-Programm beim ersten Test durchgefallen ist, hielt sich meine Verärgerung in Grenzen. Es hat zwar Arbeit gemacht, aber im Gegensatz zu kommerzieller Software habe ich nicht auch noch Lizenzgebühren bezahlen müssen für ein Programm, das dann doch nicht die Erwartungen erfüllte. Auch aus diesem Grund kommt mir mittlerweile keine Kaufsoftware mehr auf den Rechner, für die es keine kostenlose Testversion gibt.

Martina: Auch bei mir werden immer mehr Bereiche der täglichen Arbeit mit OSS erledigt. Hauptsächlich sind das webbasierte Anwendungen wie CMS-Systeme, der Apache, MySQL und PHP. Meine Daten finden mit Filezilla auf die Server und werden, da ich nur textbasiert arbeite, gerne mit Notepad++ bearbeitet, das im Übrigen den Windows-eigenen Notepad vollständig ersetzt. Ob Systemwartung, Zeiterfassung oder Textverarbeitung: Überall hat OSS das Heft in die Hand genommen.

Wichtig auch sind mir diverse OpenSource-Projekte für die Webseitenentwicklung: Zum Beispiel das (X)HTML/CSS Framework zur Erstellung moderner, flexibler Layouts YAML, die Javascript- und CSS-Library YUI, der CKEditor, ein freier webbasierter WYSIWYG HTML-Editor, den man in eigene Websites integrieren kann, Lightbox2, ein Script, mit dem man moderne webbasierte Bildergalerien erstellen kann und vieles mehr.

Gerne würde ich den Bereich der Bildbearbeitung, des Layouts und der Druckvorstufe mit OSS abdecken, aber hier finden sich momentan für den professionellen Einsatz noch keine geeigneten Lösungen. GIMP und Scribus sind auf einem guten Weg, in der Bedienung aber immer noch so umständlich und instabil, dass man sie nicht effizient nutzen kann. Erfreulich hingegen, dass die Erstellung von PDF-Dateien für die Druckvorstufe bald auch ohne Adobe Acrobat  mit dem PDFCreator gelingt. Hier sollte man aber auf jeden Fall mit der Druckerei einen Probelauf machen, bevor man größere Datenmengen verarbeitet.

Fazit

Weder ist Open Source Software ein Allheilmittel, noch ist kommerzielle Software stets besser oder gar günstiger. In vielen Bereichen gibt es mittlerweile ernstzunehmende Alternativen als OSS. Die in den vorigen Abschnitten aufgeführten Beispiele zeigen das deutlich. Ob es immer die richtige Wahl ist, hängt durchaus auch von den individuellen Umständen ab. Wer jahrelang mit Photoshop gearbeitet hat und das Programm im Schlaf bedienen kann, der wird vielleicht nicht auf GIMP umsteigen wollen, nur um einige Hundert Euro Lizenzkosten pro Jahr einzusparen, ist doch der Einarbeitungsaufwand unter Umständen höher als die Ersparnis. Dagegen kann es sich lohnen, anstelle von Microsofts Office-Paket auf das kostenlose OpenOffice zu setzen. Die Umstellung fällt hier relativ leicht und der Leistungsumfang beider Pakete ist sehr ähnlich.

Links

Windows, Linux u.a.

Die wohl größte Open-Source-Webseite der Welt - SourceForge.net: http://sourceforge.net

OSS für Windows (Übersicht): http://www.thomas-guettler.de/vortraege/oss4win/oss4win.html

OpenDisc (englisch): http://www.theopendisc.com/

OpenSource-DVD: http://www.opensource-dvd.de

Artikel, Studien und weitere Informationen zum Thema Open Source

Heise Trendstudie Open Source, Dr. Oliver Diedrich: http://www.heise.de/open/artikel/print/126682

Alles aus Spaß? Zur Motivation von Open-Source-Entwicklern, Benno Luthiger:  http://ig.cs.tu-berlin.de/oldstatic/Think-Ahead.ORG/pdfs/II-2-Luthiger.pdf

Chip Online "Die beste Open-Source-Software 2008": http://www.chip.de/artikel/Die-beste-Open-Source-Software-2008_32146198....

GNU/GPL-Lizenz (deutsche Übersetzung): http://www.gnu.de/index.de.html

Content Management Systeme

Englische Drupal-Homepage: http://www.drupal.org

Deutsche Drupal-Community: http://www.drupal-center.de

Englische Joomla-Homepage: http://www.joomla.org

Deutsche Joomla-Community: http://joomlaos.de

Typo 3: http://typo3.org

Wordpress: http://wordpress.org

Office-Programme

Deutsche Homepage von Open Office: http://openoffice.org/de/

Sonstiges

Webseiten Layout-Framework YAML: http://www.yaml.de

Yahoo! User Interface Library YUI: http://developer.yahoo.com/yui/3/

CKEdtor: http://ckeditor.com/

Lightbox2: http://www.huddletogether.com/projects/lightbox2

PDFCreator - Tool zum Erstellen und Bearbeiten von PDF-Dateien: http://de.pdf24.org/