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Seit langen Jahren nutze ich als Mail-Client Eudora. Leider wurde die Weiterentwicklung des Produkts etwa Ende 2006 eingestellt, nur einige Plug-Ins von Drittentwicklern kamen noch dazu. Irgendwann war es nun endgültig soweit: Ich bekam Mails, die komplett falsch dekodiert wurden und damit unlesbar waren - mein geliebtes Eudora (7.1) musste ersetzt werden. 

Vorbemerkungen

Schlimm, schlimm, denn meinen Arbeitsstil bezüglich E-Mails ändern: undenkbar! Was ich an Eudora schätze, ist die wahnsinnig schnelle Suche, die aus Zehntausenden von E-Mails in einigen Sekunden jede gewünschte Information findet. Außerdem die nicht existierende Beschränkung, was den Speicherplatz betrifft: Wie bedauerte ich Generationen von Outlook-Benutzern bezüglich ihres 2-GB-Problems! Aber das Arbeiten mit Eudora begann schon mit dem Auftauchen von UTF8-kodierten Mails problematisch zu werden: Zwar fand ich ein PlugIn, was UTF8-Mails dekodieren konnte, aber die Betreff-Zeile blieb z.B. immer falsch dekodiert - und so gab es noch einige Probleme in dieser Richtung. 

Also: Ein Nachfolger sollte gesucht werden. Schnell fand ich das Penelope-Projekt, in dem - nachdem Qualcomm Eudora in die Open-Source-Gemeinde  überführt hatte - an der Weiterentwicklung dieses Programms gearbeitet wurde. Hier wurde - auf der Basis von Mozillas Thunderbird und unter Verwendung von Elementen von Eudora - kräftig weiter entwickelt, und irgendwann Ende 2010 war es dann soweit: Unter dem Namen Eudora OSE (Open Source Edition) wurde die Version 1.0 veröffentlicht - wie es sich gehört, in einer Windows-, Mac- und Linux-Version. Versprochen war die vollständige Kompatibilität von Eudora incl. einer kompletten Datenübernahme - ein Traum, so schien es!
Bei der Gelegenheit des Programm-Upgrades hatte ich überlegt, den Mailverkehr gleich auf einen neuen Rechner zu verlagern - das ging erstmal nicht so glatt: Die Import-Fähighkeiten des neuen Eudora sind in einem solchen Fall teilweise begrenzt - besser ist es, auf dem gleichen Rechner wie vorher upzugraden, da sich das Programm seine Infos zum großen Teil aus der Registry holt. Besonders ginge in diesem Fall die Zuordnung der Mails zu den Attachments verloren (dazu später mehr), da die auf dem alten Rechner verbleiben würden. Immerhin würde in den importierten Mails auf den Pfad (auf dem alten Rechner!) hingewiesen, aber das war mir nicht genug. (Dazu muss man wissen, dass Eudora alle Attachments (Mail-Anhänge) in einen eigenen Ordner ablegt und in der Mail selbst nur einen Link auf dieses Attachment behält. Eine - finde ich - optimale Lösung, da sie jeden Virenscanner erfolgreich mitarbeiten lässt und alle Attachments für die verschiedensten Zwecke leicht "greifbar" sind.)

Phase 1

Also: Programm herunter laden und installieren, kein Problem. Es erschien ein Datenübernahme-Dialog: Wunderbar, außer den Mails selbst sollten auch das Adressbuch, alle "Settings" sowie die Filter übernommen werden. Der Klick auf OK brachte erstmal eine längere Pause: Der Import meiner knapp 200.000 Mails dauerte auf dem - zugegebenermaßen schon etwas älteren - Pentium-4-Rechner ca. 9 Stunden. Aber: Danach waren sie da, inklusiv aller Attachments. Laut verschiedener Postings in diversen Foren sind übrigens gerade diese Attachements der Grund, warum der Import so lange dauert: Eudora baut sie (wieder) in die Mails ein, die dann alle in einer MBOX-Datei gespeichert werden. Meine diversen alten "Mailboxen" sind so zu mehreren bis zu jeweils etwa 4 GB großen Mailbox-Dateien im Thunderbird-Ordner geworden, der (im Profil-Bereich) nun insgesamt ca. 14 GB umfasste. Die alte In-Box z.B. hatte nur ein Zehntel der jetzigen Größe - aber das waren halt nur die Mails, ohne Attachments - in deren Ordner sind dann die anderen Daten.
Auch der Import des Adressbuchs klappte recht gut - die Struktur des neuen Adressbuchs ist zwar etwas anders als die des alten, aber daran kann man sich schnell gewöhnen.
Eudora OSE konnte nun also zum ersten Mal starten - lief mit einer dem alten Eudora sehr ähnlichen Oberfläche an und überraschte erst einmal mit einem ewigen parallel zum Betrieb laufenden "Indexing....", mit dem es der Reihe nach alle Mailboxen für schnellere Suche indizierte.

Hier sieht man Eudora 7 (links) und Eudora OSE (rechts) im Vergleich - Hauptunterschied ist die Multiple-Windows-Darstellung der verschiedenen Mailboxen im alten und die mit Tabs im neuen Eudora.

 

 

 

 

 

 

 

Phase 2

Nun begann das Arbeiten mit dem neuen Mailprogramm. Insgesamt reagierte es sehr langsam, alle Klicks hatten eine gewisse "Reaktionszeit". Der Grund war bald identifiziert: Das Programm indizierte ja erst einmal alle Mailboxen. Nach einigen Stunden war es damit fertig - und begann wieder von vorne. Das Indizieren an und für sich ist eine gute Sache, damit wird auch Eudora OSE sehr schnell beim Finden von beliebigen Nachrichtenelementen, besonders natürlich von Namen in den From- oder To-Feldern. Aber das permanente Indizieren ist auf einer Single-Core-CPU nervig. Nun, es ließ sich abstellen: Unter Tools / Options gibt es ein Menü mit vielen Karteikarten, wie das Bild zeigt. Unter Advanced / General habe ich das Häkchen beim "Global Search and Indexer" entfernt, und die Antwortzeiten des Systems wurden deutlich kürzer.

Ab und zu schaltete ich das Indexing wieder ein - wobei Eudora dann erst neu gestartet werden muss, bevor es damit loslegt, Dann werden als erstes alle bisher nicht indizierten Mails indiziert, bevor dann wieder der Rundlauf beginnt.

Vielleicht fällt Ihnen (negativ) auf, dass Eudora OSE auf Englisch gestaltet ist. Nun, für das tägliche Arbeiten ist das für mich kein Problem - ein Wörterbuch für die neue deutsche Rechtschreibung war schnell gefunden und installiert. Für die Bedieneroberfläche aber gibt es tatsächlich eine deutsche Übersetzung - von dem gleichen Autor, der auch schon die Vorversionen übersetzt hat. Da diese aber auch ein paar Exe-Dateien durch angepasste Versionen ersetzen will, habe ich bisher davon Abstand genommen, sie zu installieren. Erst einmal abwarten, was in den entsprechenden Foren für Meldungen dazu zu finden sein werden.

Phase 3

Nach etwa 2 Wochen normaler Benutzungszeit war es dann soweit: Eudora OSE sollte umziehen - auf den schnelleren Quad-Core-Rechner nebenan. Doch wie den Umzug vonstatten gehen lassen? Ein Installation von Eudora OSE auf dem neuen Rechner gelang zwar problemlos (Win7-64 ist kein Hindernis), aber dann? Der Import klappte nur teilweise (Gründe siehe auch oben) - nicht alle Adressbücher, Profile etc. konnten importiert werden - und die Attachments waren auch noch auf dem alten Rechner, wobei auch noch - was am Schlimmsten war - die Zuordnungen der Dateien zu den Mails verloren gegangen waren.

Nun gibt es zwar (z.B. unter http://kb.mozillazine.org/Moving_your_profile_folder) diverse Hinweise, wie ein solcher Umzug zu bewerkstelligen sein sollte, aber den am schnellsten umzusetzenden Hinweis gab es wieder einmal über die Foren. Eudora OSE - basierend auf Thunderbird - behält alle seine Informationen in einem Profilordner. Dieser ist u.U. schwer zu finden, erst recht unter verschiedenen Windows-Versionen. Aber: Gibt man (in XP unter "Ausführen" und in Win7 bei "Programm/Dateien durchsuchen") %AppData%\Thunderbird ein, öffnet sich beide Male ein gleich aussehendes Fenster (hier die Windows-7-Version). Den Inhalt dieses Ordners muss man schlichtweg in den anderen Ordner der neuen Installation kopieren (und die alten Inhalt löschen) - das war's. Obwohl die Profile im entsprechenden Unterordner komplett anders hießen, startete Eudora OSE sofort absolut fehlerfrei und arbeitet seitdem auf dem neuen PC genauso wie vorher auf dem alten - nur das Indizieren stört jetzt in keiner Weise mehr!

Phase 4

Nun blieb nur noch das Verhalten bezüglich der Attachments. diese spielen in meinem (E-Mail-)Arbeitsablauf nun mal eine sehr wichtige Rolle.
Ein bisschen im Internet suchen brachte den Fokus auf ein Add-On: den "Attachment Extractor". Zwar gibt es keine neuere Version als eine vom Oktober 2009, aber dieses Add-On bekam überwiegend gute Kritiken. Es hat Features wie "Extract-All" und kann damit alle Attachments einer ganzen Mailbox in einem Arbeitsgang abtrennen: Genau das, was ich suchte. In der Version 1.3.5 unterstützt es auch Thunderbird 3.x und war damit für meine Zwecke geeignet. Nach der Installation haben alle Menüpunkte, die sich mit den Attachments befassen, ein paar Einträge mehr. Aber als erstes musste das Add-On selbst konfiguriert werden: Die Standardeinstellungen des Thunderbird interessierten es wenig und es arbeitete erst einmal nicht. Über Tools / Add-Ons kann man die Erweiterungen einzeln ansprechen und dieses dann über seinen eigenen "Options"-Knopf konfigurieren. Das nebenstehende Bild zeigt einen Konfigurationsschritt. Wichtig waren mir hierbei solche Einstellungen wie die, welche sich mit dem Verhalten bei gleichnamigen Attachments befasst. Der Attachment-Extractor kann damit umgehen - er nummeriert die Attachments ganz einfach durch, falls sie (vorher) den gleichen Namen hatten

Nach der Installation wählte ich dann eine Mailbox an, und mit dem Rechte-Maustasten-Kommando "Extract all Attachments"  begann der Extractor seine Arbeit. Recht gemächlich untersuchte er Mail um Mail und speicherte die Attachments - unter Beibehaltung der Zuordnung in den Mails (er trägt den Pfadnamen zu dem Attachment in die Mail ein!) - in das angegebene Verzeichnis. Das entsprechende Fenster ist rechts abgebildet. Eudora selbst wird durch diesen Vorgang stark gebremst, ist aber weiter benutzbar. Das Ganze lässt sich deutlich beschleunigen, wenn Eudora während des Extrahierens geschlossen wird. Der Extractor lässt sich dadurch in seiner Arbeit nicht stören, läuft aber wie gesagt schneller. Für 10.000 Mails mit ca. 28 MB Attachments benötigte das System so etwa 1 Stunde. Die mbox-Datei wurde übrigens dadurch nicht kleiner - die Attachments bleiben also wohl "in den Mails".

Ein Nachteil dieses Verfahren ist, dass alle Attachments nun das Datum des Extraktionsvorgangs haben, und nicht mehr das des Tages, an dem sie auf den Rechner kamen. Das lässt sich aber - bezogen auf den Gesamtzustand - verschmerzen.

Aber genau an dieser Stelle gibt es noch eine Alternative: Das Plug-In kann nicht nur "Thunderbirds Methode" verwenden, um die Attachments zu extrahieren (die dann zu den beschriebenen Ergebnissen führt), sondern hat auch noch eine "eigene", als "experimental" bezeichnete Variante, die z.B. die Attachments mit ihrem originalen Datum abspeichert. Diese werde ich noch testen.

Phase 5?

Wie gesagt basiert Eudora OSE auf Thunderbird 3.0.4. Aktuell ist momentan 3.1.7, und diese Versionen sind alle lokalisiert. Für die neuen Thunderbird-Versionen gibt es eine Menge interessanter Plug-Ins, von denen ich (noch) nicht weiß, ob Eudora-OSE damit auch zurecht kommt.
In der nächsten Zeit werde ich mich sicher mal mit dem Look-and-feel des reinen Thunderbirds beschäftigen - und: Wer weiß, vielleicht war dieser Umstieg auf Eudora OSE dann nur eine Zwischenphase!? Bereuen werde ich es bestimmt nicht, denn der eigentliche Umzug ging innerhalb eines Tages über die Bühne, und meine Arbeitsabläufe wurden in keiner Weise irgendwie beeinträchtigt.

Einen solch reibungslosen Umstieg würde ich mir auch an anderer Stelle wünschen!

Links

Eudora-Wiki

Attachment-Extractor

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M5543, Schriftführer und Leiter der RG600 im AUGE e.V.