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Trotzdem ich nicht mehr als junger Hase gelten mag, bin ich ja außerordentlich experimentierfreudig im technischen Bereich. Und im Gegenteil zum Großteil der jugendlichen Smartphonebesitzer habe ich nicht nur Spaß am Daddeln und schon gar nicht daran, auf Facebook mit meinen 8.434 “Freunden” zu plaudern, ich will mehr und anderes. Computer – und Smartphones zähle ich natürlich dazu – sind für mich immer auch oder gerade Geräte mit technischem Nutzen für den Alltag und Spaßfaktor an sich. Würde ich es nicht noch nutzen wollen, ich hätte schon längst einmal tiefer in das Smartphone hineingeschaut. Anders gesagt: Ich will mein Gerät nicht nur nutzen, sondern auch verstehen und gestalten.

Natürlich ist mein Smartphone mit dem Android-Betriebssystem ausgestattet, das mir die größtmögliche Freiheit gibt, in die Gerätekonfiguration einzugreifen und auch mal alles kaputt zu machen … Letzteres ist aber noch nie passiert. Dafür habe ich mir schon einen Einblick in die Programmierung von Android Apps gegönnt. Da braucht man viel Java, und Programmiersprachen liegen mir leider überhaupt nicht, zur Programmiererin werde ich wohl nicht mehr.

Umso mehr weiß ich ambitionierte Projekte zu schätzen, die mit der Nutzung von Smartphones verbunden sind. Und anlässlich eines Urlaubs habe ich auch Gelegenheit gehabt, solche Projekte zu testen, nämlich Navigations-Apps für Fahrradfahrer.

Neben Maps, der App von Google mit den Google-eigenen Karten und Tracking-Tools wie myTracks (auch von Google) oder GPS Tracks (vornehmlich Schweizer Tracking-Software mit Anbindung an die Webseite http://www.gps-tracks.com/) gibt es auch das neue und im Aufbau befindliche Naviki, die komoot Fahrrad- & Wander-Navi und noch unzählige Apps mehr, die zu testen zur Lebensaufgabe werden kann.

Navigationsapps für Radler und Wanderer - das Grundkonzept

Das Grundkonzept all dieser Tracking- und Navigationstools ist dasselbe: Es existiert eine Webseite, meist eine Community, auf der man sich anmeldet und in seinem Bereich Strecken ausarbeitet und verwaltet. Diese Strecken können geplant oder während einer Fahrt aufgezeichnet (“getrackt”) sein und man kann sie für sich behalten oder veröffentlichen, damit auch andere Wanderer oder Radfahrer etwas davon haben.

Aus allen Apps lässt sich die Strecke exportieren und so auf dem PC speichern, dass man sie auch in Google Earth oder – falls vorhanden – in den eigenen Google-Maps-Account importieren lassen. Natürlich können die Routen so auch in ein klassisches Navigationsgerät exportiert oder vom Navi in die eigenen Strecken auf den jeweiligen Webseiten importiert werden.

Mit dem Smartphone ohne Zigarettenanzünder unterwegs - eine Herausforderung

Cooler als ein GPS-Gerät ist für viele ein Smartphone ... Natürlich macht es Sinn, nur ein Gerät mit sich mitzuführen, wer wandert oder mit dem Fahrrad unterwegs ist, hat nur begrenzten Platz in Rucksack oder Taschen und da leider die meisten Geräte noch unterschiedliche Netzteile brauchen, hat man schnell mal ein paar Kilo Stecker und Kabel dabei.

Leider fehlt in Wanderrucksäcken bislang eine Steckdose oder ein Zigarettenanzünder, letzteres die Energiequelle für Autofahrer. Dem Wanderer ohne Stromanschluss kann man eine externe “Powerbank” empfehlen, einen flachen, handlichen Spezialakku für mobile Geräte (z.B. die Universal-Powerbank von Pearl). Radfahrer haben es da leichter, zumindest wenn ihr Fahrrad über einen der modernen Nabendynamos verfügt – sie können nämlich den Strom für ihr Smartphone selbst produzieren, oder noch besser, Puffer-Akkus während des Fahrens aufladen, die kontinuierlich Strom an die Geräte ausliefern. Sozusagen Standard ist momentan das Busch & Müller E-Werk, dessen Gebrauch im Blog von Plun3 beschrieben wird.

Tja, und da haben wir schon den Pferdefuß an diesem Bericht: Das E-Werk hat lange Lieferzeiten, das Powerpack an sich war mir zu teuer für den (möglicherweise einmaligen) Selbstversuch, also konnte ich die Navi-Apps nur eingeschränkt unterwegs testen. Hätte ich, wie es nun einmal notwendig ist, die Apps im Hintergrund (oder sogar im Vordergrund) laufen lassen, wäre nach zwei, spätestens vier Stunden Schluss gewesen mit lustig.

Smartphone-Akkus sind echte Spaßbremsen und bei Licht betrachtet sind Smartphones vom Energieverbrauch her eine Katastrophe. Im normalen Alltag sind sie ohne Energiespar-App nicht zu gebrauchen, aber die nutzt bei laufender Navi-App überhaupt nichts. Die Apps müssen natürlich kontinuierlich den Standort via GPS abrufen und geben gegebenenfalls sogar die Strecke als Sprachnavi aus (was ich mir manchmal wirklich gewünscht hätte unterwegs).

Naviki, ein EU-gefördertes Projekt

Naviki ist ein Projekt, das sich noch im Aufbau befindet. Es wird unterstützt durch die EU, genauer gesagt durch das Programm Intelligent Energy - Europe (IEE), das zu insgesamt mehr Energieeffizienz in Europa führen soll. Naviki wird als dauerhaft kostenloser Dienst geplant.

Die Seite ist in der Navigation nicht ganz intuitiv. Wie bei anderen Diensten auch kann man seine Fahrradroute über eine Eingabemaske planen und dabei auch Zwischenstopps definieren. Leider ist diese Funktion noch nicht besonders ausgereift. Mein Anliegen ist es, die Strecke von der Lutherstadt Wittenberg über Ferropolis, einem alten Braunkohletagebau, der jetzt Freilichtmuseum ist, weiter nach Bitterfeld an die Goitzsche bis nach Leipzig zu erarbeiten. Ich bin überzeugt davon, eigentlich alles richtig zu machen, aber auch nach zwei und mehr Versuchen wird mir ein falscher Startpunkt ausgegeben, nämlich kurz oberhalb von Ferropolis. Leider wird mir kein Hinweis gegeben, welchen Fehler ich gemacht habe. Auf dem Screenshot sieht man, dass die Punkte 1 (verdeckt) und 2 sehr nah beieinander liegen. Die ganze Strecke müsste normalerweise gut 90 km lang sein, die ersten 40 km werden unterschlagen.

Naviki Streckenberechnung

Angenehmerweise kann ich mir unter die Strecke unterschiedliche Kartengrundlagen legen. Standard ist Google Maps, aber es gibt unter anderem auch Open Street Map und – für Radfahrer besonders interessant – die Open Street Map Rad, auf der Rad(fern)wanderwege eingezeichnet sind. Auf dem Screenshot oben ist OSM Rad aktiviert. Nur, so lange ich Wittenberg nicht als Ausgangspunkt angenommen bekomme, stimmt meine ganze Strecke nicht. Hier offenbart sich gleich das gravierendste Problem von Naviki: Die Suchfunktion ist noch nicht besonders ausgereift.

Komoot

Auf komoot komme ich an dieser Stelle sofort weiter. Die Suchmaske bleibt nicht, wie bei Naviki, leer bis auf das, was ich eingetippt habe, sondern es werden mir dynamisch mit den eingegebenen Buchstaben Vorschläge gemacht. Lutherstadt Wittenberg und Ferropolis sind für komoot bekannte Variablen. Blende ich mir zur berechneten Strecke mal die OSM Rad ein, kann ich sehen, dass die Strecke entlang eines beschilderten Radwegs führt. Der Screenshot zeigt die korrekt berechnete Teilstrecke von Wittenberg nach Ferropolis, die Naviki nicht ausgeben wollte.

kommoot Streckenberechnung

komoot existiert als Dienst schon etwas länger als Naviki und entstammt einer Sportcommunity. Was der unbedarfte Nutzer nach der Anmeldung nicht ahnt: komoot ist nicht wirklich kostenlos! Ich hatte mir meinen Weg in drei Etappen berechnen lassen: Von Berlin nach Wittenberg, von Wittenberg nach Leipzig und von Leipzig nach Hof. Am ersten Tag konnte ich die Wegführung noch kontrollieren, als ich am zweiten Tag die Strecke im Smartphone aufrufen wollte musste ich erfahren, dass das nicht kostenfrei wäre. Zwar ist der Preis für weitere “Regionen” mit 3,99 Euro nicht übertrieben teuer und eine komplette Freischaltung für 29,99 Euro zu haben, aber dass ich überhaupt Geld bezahlen muss, das muss wohl nur sehr klein gedruckt zu finden sein. Gut, dass ich mich wegen der Stromversorgung sowieso nur mit Offline-Material versorgt hatte. Und, an Punkten wo nichts mehr ging, habe ich statt Smartphone das mitgeführte Netbook verwendet und mich auf der komoot-Webseite eingeloggt. Dort kann man jederzeit die Strecken einsehen, ohne Einschränkungen, diese gelten nur für die Übertragung auf das Smartphone.
Witzig ist aber: Ich kann die GPS-Daten, eine .gpx-Datei, von komoot herunterladen und in Naviki importieren. Rein technisch ist das erlaubt und auch sonst scheint es rechtens zu sein.

Wer tiefer in die Funktionsweise von GPS-Navi für Fußgänger und Radfahrer eintauchen will, dem sei der aufgezeichnete Vortrag “GPS-Navigation für Radfahrer und Fußgänger“  ans Herz gelegt, der im Juli 2012 auf dem Treffen der RG600 gehalten wurde (das Video ist nur für AUGE-Mitglieder zugänglich).       

Offline-Planung

Roadbook von NavikiIch musste meine Planung unter dem Gesichtspunkt des Offline-Navigierens gestalten. Dabei hilfreich wären mir, so war es angedacht, ausgedruckte Routenverläufe. Beide getesteten Dienste bieten das an. Die erste Etappe Berlin-Wittenberg ist an sich keine schwierige Etappe. Die Druckansicht von Naviki bietet mir den Ausdruck als Karte (“Roadbook") mit sagenhaften 83 Seiten. Bei einer Strecke von berechneten gut 92 km ist hier im Ausdruck jeder Streckenkilometer vorteilhaft in den Vordergrund gerückt. Brauchbar ist das aber nicht.

komoot RoadbookBei komoot findet man eine übersichtlichere Ausgabe, die man sich noch dazu zusammenstellen kann, wie man sie braucht. Ich hatte darauf verzichtet, für Wegepunkte Kartendetails auszugeben, was sich später noch als schlechte Entscheidung entpuppte, hatte damit aber einen Wegeverlauf als Text im Umfang von fünf Seiten. Mit eingeblendeten Minikarten hat das Dokument 25 Druckseiten.

Ich wählte also die fünfseitige Variante, schon allein weil man beim Fahrradfahren nicht alle 1,2 km irgendwelche Zettel neu sortieren möchte. Das würde die Fahrtzeit geschätzt um 30 % verlängern. Wink Diese Variante zeigt allerdings auch Schwächen. Zwar klingen Anweisungen wie:

Links auf Fahrradweg. Für 360 m (ca. 1 Minuten) – gesamt 14,2 km
Auf Kreuzung rechts auf Bundesstraße. Für 560 m (ca. 2 Minuten) – gesamt 14,8 km
Geradeaus auf Fahrradweg. Für 5,2 km (ca. 20 Minuten) – gesamt 19,9 km
Geradeaus auf Am Wiesenrand. Für 781 m (ca. 3 Minuten) – gesamt 20,7 km
An der Gabelung links auf Fahrradweg.

auf den ersten Blick sehr gut, aber es fehlen sehr oft Straßennamen, die Bundes- oder Landstraßen sind nicht genauer bezeichnet und wenn man den Faden verloren hat, findet man fast nicht mehr auf den Weg zurück. Konkret haben wir an einer Stelle den Einstieg in einen ausgeschilderten Radweg verpasst und konnten damit nicht mehr “für 6,7 km” bis zum Ausstieg radeln, wir wussten ja nicht, an welcher Stelle wir uns befanden, welche Straße wir queren sollten und auf welche wir wieder zurück fahren sollten. So haben wir schlussendlich an manchen Stellen Umwege fahren müssen oder anstatt eines Wegs im Wald lieber die Landstraße benutzt, um nicht die Orientierung zu verlieren.

Minikarten-Variante in komootDie mangelnde Offline-Funktionalität kann man einer Navi für mobile Geräte nun nicht wirklich ankreiden, allerdings wäre es doch wünschenswert, wenn man sich die Strecke zur Sicherheit in sinnvoller Form ausdrucken könnte, denn außer einem leeren Akku kann auch die Moblifunkverbindung schwächeln, der Blick zu den Satelliten gestört sein oder ein Gerät auch einfach kaputt- oder verloren gehen. Der Radler möchte letzteres gerne auf keinen Fall.

Der Weg ist das Ziel, und es ist gut, wenn man dieses erreicht

Alles in allem war unser erster Versuch der elektronisch gestützten Radnavigation immerhin interessant. Die Wege waren durchweg gut geeignet für Fahrräder und zum Teil abseits der straßenbegleitenden Radwege durch Wiesen und Wälder geführt. Anstrengend wurde es an Stellen, wo der Weg nicht mehr eindeutig zu finden war und die Papierversion des Roadbooks ständig im Auge behalten werden musste.

Kaum anders als früher, als man sich Karten gekauft hat, ist die Planung im Vorfeld mit etwas Aufwand verbunden, macht aber auch Spaß. Neu ist, dass man seine Routen wenn man möchte auch anderen Radfahrern zur Verfügung stellen kann und dass man später zu seiner Tour noch Kommentare und Fotos hinzufügen kann und somit ein komplettes Online-Reisetagebuch erstellt. Letzteres kann übrigens GPS Essentials, eine sehr umfangreiche GPS-Software ohne Spezialisierung auf eine bestimmte Fortbewegungsart, noch sehr viel besser: Hier kann man jederzeit aus der App heraus Fotos machen, die mit Geookoordinaten getaggt und der Route zugeordnet werden, sofern man eine stabile Mobilfunkverbindung hat.

Links zu Apps und Portalen

https://play.google.com/store/apps/details?id=com.google.android.apps.maps
https://play.google.com/store/apps/details?id=com.google.android.maps.mytracks
https://play.google.com/store/apps/details?id=com.GPSTracks
https://play.google.com/store/apps/details?id=org.naviki
https://play.google.com/store/apps/details?id=de.komoot.android
https://play.google.com/store/apps/details?id=com.mictale.gpsessentials
http://www.naviki.org/de/naviki/start/
https://www.komoot.de/